HIV Testmöglichkeiten - Diagnostische Lücke

Dieses Thema im Forum "Gesundheitsforum" wurde erstellt von sanuk, 4. Juni 2013.

  1. sanuk

    sanuk Geiler Rentner

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    #1 sanuk, 4. Juni 2013
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 5. Juni 2013
    Abgetrennt aus der Berichteecke, Bezug, siehe Zitat

    Du hast nett geschrieben,
    aber dauert es nicht mindestens 3 Monate und mehr,
    seit dem letzten Sex um durch einen Test ganz sicher festzustellen,
    dass man kein HIV hat ?
    Das heist,man testet rückwirkend sein ganzes Leben bis auf die letzten
    3-6 Monate ?
    Viele Grüße
     
  2. karelclosetrol

    karelclosetrol Pensioniert

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    gibt auch ein schnelltest mit sehr hohe wahrscheinlichkeit.
     
  3. Naturfreund

    Naturfreund Optiker

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    #3 Naturfreund, 5. Juni 2013
    Zuletzt bearbeitet: 5. Juni 2013
    HIV Tests

    Dieser Beitrag gehört sachlich ins Gesundheitsforum. Da jedoch der FK Sanuk hier an dieser Stelle den von mir genannten HIV-PCR Test verwechselt mit dem üblichen HIV-ELISA Test, antworte ich hier direkt. Die Forenleitung kann diesen Beitrag gerne an die sachlich richtige Stelle verschieben.

    Ich bin kein Fachmann, also weder Mediziner noch Biologe, mache aber seit 1987 regelmäßig HIV Tests und habe deshalb einiges Wissen angesammelt, das ich gern weitergebe. Im Übrigen ist das alles natürlich in Wikipedia usw. nachzulesen.

    In der gebotenen Kürze: es gibt zwei Arten von HIV Tests, die von der Methode her grundverschieden sind:

    A) HIV-ELISA-Test mit p24 Nachweis ("ELISA der 4. Generation")

    Der ELISA Test weist nicht das HI-Virus direkt nach, sondern die ANTWORT DES KÖRPERS auf das Virus, die von unserem Immunsystem produzierten Antikörper (Immunoglobuline). Da das Zeit braucht und die Antikörper erst ab einer bestimmten Konzentration im Blut nachweisbar sind, liefert dieser Test erst nach ca. 3 Monaten eine Aussage mit guter statistischer Sicherheit. Diese Zeit von der möglichen Infektion bis zum einigermaßen sicheren Nachweis nennt man "diagnostische Lücke". Beim reinen ELISA-Test beträgt die also 3 Monate.

    Dieser klassische ELISA-Test wird seit Jahren mit dem Nachweis des p24-Kapselproteins des HI-Virus ("Antigen") kombiniert. Dadurch verkürzt sich die diagnostische Lücke auf etwa 6 bis 7 Wochen. Die Aussagen darüber sind leider nicht einheitlich. Man sollte bei "normalen" HIV Tests darauf achten, dass dieser kombinierte Test gemacht wird. Er hat den großen Vorteil, dass er sehr billig ist. In dem medizinischen Labor, wo ich ihn mache, kostet er 10 €.

    Der "HIV-Schnelltest" basiert NUR auf dem klassischen ELISA-Test! Nachgewiesen werden zwei Antikörper. Die einigermaßen sichere Aussage des Schnelltests ist also, wenn negativ: bis vor ca. 3 Monaten lag keine HIV Infektion vor. Über den aktuellen Status sagt er NICHTS aus.

    B) Der HIV-RNA-PCR Test

    Bei diesem Test wird der wesentlichste Bestandteil des HIV, seine Nukleinsäure (RNA), DIREKT nachgewiesen. Die Methode heißt PCR (Polymerase Chain Reaktion). Sie ist wesentlich empfindlicher als der p24 Nachweis. Dadurch verkürzt sich die diagnostische Lücke bis auf 7 – 12 Tage (die HI-Viren müssen sich erst genügend vermehrt haben, das dauert ca. eine Woche). Deshalb eignet sich dieser HIV-PCR Test hervorragend für Fälle, wo "Not am Mann" ist. Ich wusste bei meinem Villa Venus Besuch nicht, dass meine Partnerin überraschend Anfang Juni einen viel länger geplanten Auslandsaufenthalt abbrechen wird. Wenn ich sicher gehen will (im Rahmen der statistischen Sicherheit, letztlich der Nachweisgrenze des Tests), dass ich sie nicht mit HIV anstecke, MUSS ich den HIV-PCR Test machen!

    Der Test hat aber zwei Nachteile:
    1) Er ist SEHR teuer wegen der teuren Methode und weil er nicht so verbreitet ist wie der ELISA. In meinem Labor kostet er 128 €. Aber wenn man tausende von Euros pro Jahr für P6 ausgibt, sollten einem ein oder zweimal im Jahr so ein HIV PCR Test wahrlich nicht zu teuer sein!

    2) Es gibt zwei HIV Varianten, HIV1 und HIV2. Der PCR Test ist immer spezifisch für eine ganz bestimmte RNA. Da der HIV1 viel häufiger vorkommt als der HIV2 (Verhältnis 10:1), teste ich immer nur HIV1.

    Ich hoffe, meine Ausführungen sind allgemein verständlich.
     
    karelclosetrol und Macchiato danken dafür.
  4. Crimson12

    Crimson12 Querquatschkopf

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    Der PCR-Test wird von doc Alex auf verschiedenen GangBang AO Veranstaltungen für 20 oder 30 € angeboten.
    Wie kann das sein?
     
  5. albundy69

    albundy69 Womanizer

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    Ich glaube, das stimmt nicht. Vergleiche deine Quellen bitte mal dahingehend, ob es sich dabei nicht um einen "Point of Care Test" handelt.

    Siehe auch Forenthema > Point-of-care-HIV Test bzw. Tante Wiki
     
  6. Crimson12

    Crimson12 Querquatschkopf

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    gag50 dankt dafür.
  7. Xx_er

    Xx_er Guest

    also sowohl der Text, als auch eine Recherche nach dem Namen, ergeben bei mir einen Eindruck der in Richtung smiley-Riehsörtsch-Experte geht ...

    sofern er den Abbott ARCHITECT HIV Ag/Ab Combo meint, dann kommen seine Aussagen hin, sofern man nicht mit HIV/AIDS-Kritikern konform geht, welche die gesamte HIV verursacht AIDS Theorie bezweifeln.

    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21983253
    http://www.hpa.org.uk/webc/HPAwebFile/HPAweb_C/1317133424986
     
  8. albundy69

    albundy69 Womanizer

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    Crimson, hilf mir bitte noch mal auf die Sprünge. An welcher Stelle in den Maassen Zitaten steht, dass er einen PCR-Test macht?:gruebel: (Das war schliesslich der Grund für meinen in 5# geäußerten Zweifel)

    Ich lese nur, dass er neuerdings für kleines Geld einen Test macht, der Antikörper UND Virus dignostiziert und nennt das auch noch POC.

    Das was ich zu dem Abbott-Test lese hört sich auch eher nach Labor an...
     
  9. Xx_er

    Xx_er Guest

    #9 Xx_er, 7. Juni 2013
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 7. Juni 2013
    jou - wenn ich das richtig verstanden habe, benötigt man dazu so was in der Art:
    http://img.medicalexpo.de/images_me/photo-g/automatisches-chemilumineszenz-immunoassay-analysator-71024-130107.jpg

    und nach meinen Recherchen finde ich keinen POCT (point-of-care-test) welcher sich des PCR- (polymerase-chain-reaction) bzw. NAAT- (nucleic-acid- amplification-test) Verfahrens bedient. :peinlich:

    Sollte jemand was finden - her mit dem Link !

    Noch 2 Links, die zumindest mir vertrauenswürdiger erscheinen als "Doc Alex":
    http://www.medscape.com/viewarticle/748736
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22019251

    Ausserdem sollte Experte "Doc Alex" vielleicht auch richtigstellen, dass es keinen einzigen Test gibt der tatsächlich HIV selbst nachweist und einfach angeben, von welchem Test er redet. Wenn es ein anerkannter Test ist, dann lassen sich auch entsprechende klinische Studien dazu finden...

    Von Abbott selbst soll ja in HIV-Test-Beipackzetteln folgendes zu lesen sein...
    [​IMG]

    was dann klarerweise von den AIDS-Kritikern wieder total übertrieben ausgeschlachtet wird ;)
     
    Macchiato dankt dafür.
  10. albundy69

    albundy69 Womanizer

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    gag50 und Xx_er danken dafür.
  11. Xx_er

    Xx_er Guest

    #11 Xx_er, 7. Juni 2013
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 7. Juni 2013
    thx - sauber recherchiert...

    jepp - das könnte hinkommen, ist aber das selbe Kombi-Test-Prinzip wie beim Abbott-Test, somit keine Rede von PCR/NAAT...

    Ausserdem scheint es beim p24-Testteil noch Probleme zu geben:

    Quelle: http://www.aidshilfe.de/en/verbandsnewsletter/probleme-mit-dem-hiv-kombinations-schnelltest


    edit Nachtrag: auch in der PubMed-Datenbank findet man wenig erfreuliches über den POC-p24-Testteil:
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23391823
    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23380659
     
  12. Naturfreund

    Naturfreund Optiker

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    Grenzen und Unsicherheiten von Tests

    Ich stimme meinen Vorrednern Albundy und Xx_err zu, bis auf meine von Xx_err abweichende Meinung, dass ein PCR oder NAA Verfahren sehr wohl das Virus direkt nachweist, weil Bruchstücke der RNA des Virus, die nur für DIESES Virus charakteristisch sind, so oft "kopiert" (das PCR Verfahren kopiert quasi einen kleinen Text) werden, bis man sie nachweisen kann.

    Ein HIV-PCR-Test kann nach heutigem Stand der Technik unmöglich ein POCT sein, also zuhause oder in der Apotheke gemacht werden. Dazu braucht man biologisch-technisches Instrumentarium, was noch nicht miniaturisierbar ist. Wenn das mal möglich ist (nur eine Frage der Zeit), brechen zumindest beim HIV und Chlamydien-Test (beruht auch auf PCR) bessere Zeiten an.

    Man sollte aber bei ALLEN Tests Folgendes beachten:

    1) Jedes Verfahren, auf dem Tests beruhen, hat a) experimentelle Fehler und b) eine Nachweisgrenze. Aus beiden ergeben sich zwingend Grenzen bzw. Unsicherheiten.

    2) Jeder Mensch ist ein Individuum. Folge: jeder reagiert ein bisschen anders auf dieselbe Noxe. Der eine hat ein tolles Immunsystem, das HIV effektiver bekämpft als der Nachbar, der ein schwaches Immunsystem hat.

    Aus beiden ergeben sich statistische Unsicherheiten eines Testergebnisses, die fast nie mitgenannt werden. Wenn etwa für den Kombi-Test (Antikörper + p24 Antigen, kein RNA-Nachweis) bei Doc Alex gesagt wird, der liefere schon drei Wochen nach einer Ansteckung ein Ergebnis, so sind die "drei Wochen" mit Vorsicht zu genießen! Wo hoch ist zu diesem Zeitpunkt die statistische Sicherheit des Ergebnisses?

    Meines Wissens bedeutet ein negatives Ergebnis beim ELISA Test der 4. Generation (p24 inklusive), dass bis drei Monate vor dem Test mit einer statistischen Sicherheit von 95 % keine HIV Viren im Körper waren. Zu späteren Zeitpunkten ist diese Sicherheit kleiner. Ein Arzt hat mir vor drei Jahren gesagt, dass sie bei 6-7 Wochen auf unter 70 % gesunken ist.

    Und 95 % oder selbst 99 % Sicherheit heißt 5 bzw. 1 % Wahrscheinlichkeit, dass der Proband doch infiziert ist. Deshalb steht bei meinen HIV Tests immer auf dem Ergebnisblatt:

    "Ein negativer Befund schließt auch bei klinisch Gesunden eine Infektion nicht aus z.B. 1) in der Frühphase der Infektion (eine Serokonversion [= Bildung von Antikörpern gegen HIV] tritt i.d.R. innerhalb von 3 Monaten ein, nur selten später); 2) bei genetisch bedingten Non-Respondern oder bei Low-Respondern; 3) wenn die HIV Antikörper absinken, bevor klinische Symptome auftreten.
     
    Xx_er, Smiley und albundy69 danken dafür.
  13. Xx_er

    Xx_er Guest

    #13 Xx_er, 7. Juni 2013
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 7. Juni 2013
    da setzt *afaik die Kritik einiger Wissenschaftler an, die bezweifeln, dass “HIV”-Nukleinsäure-Vorlagen und PCR-Primer wirklich HIV-spezifisch seien. Und mir ist zB. auch nicht geläufig, wogegen die Spezifität "geeicht" wird.

    Als Nicht-Molekularbiologe bin ich dann bei Überfliegen von neueren Reviews doch etwas überfordert mir ein klares Bild davon zu machen, was da wie nachgewiesen wird, da insbesondere viel auf andere Quellen Bezug genommen wird.

    Das grundsätzliche Verfahrensprinzip ist mir verständlich, aber ich sehe mich nicht in der Lage, ohne mich da tief einzuarbeiten, selbst nachzuvollziehen, inwieweit die (alte) Kritik berechtigt ist ...
     
    Naturfreund dankt dafür.
  14. Naturfreund

    Naturfreund Optiker

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    Falsch positive Ergebnisse und Qualitätssicherung

    @Xx_err: Da wir beide keine Fachleute sind, sollten wir diese Diskussion nicht zu sehr vertiefen und lieber in PNs weiterführen. Ich schreib dir dazu eine PN, sobald ich Zeit habe.

    @Allgemeinheit
    Zwei Punkte könnten noch für die Allgemeinheit als Ergänzung der bisherigen Ausführungen interessant sein.

    1) Falsch positive Ergebnisse

    Vieles, was Xx_err anführt und in der zitierten Literatur steht, kann man unter dem Oberbegriff "experimentelle Fehler" subsummieren. Insbesondere Verunreinigungen und nicht genügend spezifische Primer können zu falsch positiven Ergebnissen führen. Als ich vor Jahren meinen ersten HIV-PCR Test gemacht und ausführlich mit dem zuständigen Laborarzt (nicht meinem Hausarzt!) darüber gesprochen habe, hat der diesen Punkt als den wichtigsten angeführt, weil er für viele, die solche Tests machen, ein großes psychologisches Problem darstellt. Falsch negative Ergenisse sind dagegen sehr selten.

    Ich will nicht so tun, als sei ich ein Lebenskünstler, der so was auf die leichte Schulter nimmt. Aber die reale, wenn auch sehr kleine Wahrscheinlichkeit für ein positives Ergebnis, das sich durch Nachprüfungen als falsch erweist, nehme ich liebend gern in Kauf, wenn ich mich auf die negativen Ergebnisse im Rahmen der statistischen Sicherheit verlassen kann. Die Konsequenz ist: bei aller verständlichen Panik, wenn man "positiv" getestet wird: erstmal tief durchatmen und Wiederholungstests abwarten!

    Meine private Statistik dazu: ich habe in 26 Jahren rund 70 HIV ELISA und 5 HIV-PCR Tests gemacht. Ich hatte noch nie ein falsch positives Ergebnis.

    2) Qualitätssicherung

    Jedes Labor steht und fällt mit dem Qualitätsmanagement, der Sicherung der Qualitätsstandards. Ich empfehle denjenigen, die solche Tests machen und in der Nähe einer Großstadt wohnen, nicht zu einem Arzt zu gehen. Der schickt die Proben irgendwo ein und hat selbst wenig Ahnung von dem, was im Labor an Fehlern auftreten kann. Es ist besser, dahin zu gehen, wo die Tests tatsächlich durchgeführt werden (wenn man die Möglichkeit dazu hat). In den großen medizinischen Labors, die selbstverständlich zertifiziert sind, kann man mit den zuständigen Ärzten sprechen. Die haben natürlich eine enorme Erfahrung auf dem Gebiet, besonders was Fehler angeht. Außerdem ist es beträchtlich billiger! Und man kann es ganz anonym machen, niemand erfährt davon. Das Labor, in dem ich meine Tests mache, führt zig tausende von HIV Tests u.a. für das Rote Kreuz aus (Spenderblut), sehr viele davon mit der PCR Methode. Da kann ich sicher sein, dass die eine exzellente Qualitätssicherung haben.
     
    Smiley dankt dafür.
  15. Xx_er

    Xx_er Guest

    warum ? Solange Quellen mitgeliefert werden, kann das doch auch für andere interessant sein...


    Apropos interessant: Das was man lange nicht wusste soll jetzt geklärt sein - nämlich wie HIV es anstellt die CD4 Zellen zu zerstören:

    http://www.sciencedaily.com/releases/2013/06/130605144435.htm
    http://www.nature.com/nature/journal/vaop/ncurrent/full/nature12274.html
     
  16. Naturfreund

    Naturfreund Optiker

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    Für mich ist die Sache ausgereizt

    Beim Smalltalk rede ich natürlich auch oft über Sachen, die ich nur halb oder gar nicht verstanden habe, Schuldenkrise, Gottesteilchen, Immunsystem… Aber HIV nehme ich zu ernst dafür. Was ich bisher in diesem Thread geäußert habe, kann ich so unterschreiben. Ab jetzt würde ich mich aufs Glatteis begeben. Und eins habe ich in jahrzehntelanger Forschung als Naturwissenschaftler gelernt: wenn man ernsthaft diskutieren will, soll man nicht über Dinge reden, die man nicht wirklich verstanden hat. Da empfiehlt es sich, Wittgensteins berühmten Satz zu beherzigen: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen."

    Ich rede hier von mir. Beispiel: im letzten Beitrag von Xx_err taucht das Kürzel "CD4" auf. Hab ich schon oft gehört im Zusammenhang mit HIV. Aber genau weiß ich nicht, was es ist. Mich irritiert die Stelle "CD4 Zellen". Mhm. Sind CD4 Zellen? Was meint Xx_err? Bleibt nur übrig, in Wikipedia reinzuschauen. Ah, CD4 sind Rezeptoren, natürlich! "Hab ich doch immer gewusst", sagt meine Eitelkeit. Nein, hab ich nicht immer gewusst. Irrt also der Mann mit dem doppelten X hier? Nun, man könnte ihn so interpretieren, dass alles wieder im Lot ist, wenn nämlich "CD4 Zellen" eine verkürzte Ausdrucksweise für "Zellen des Immunsystems mit CD4 Rezeptoren" sein soll.

    Will ich mich hier als besserer Wikipedia-Wisser aufspielen? Nicht im Mindesten. Ich selbst habe mir zu Beginn dieses Threads einen bösen Fehler geleistet. Die Zeitspanne zwischen möglicher Ansteckung und dem Zeitpunkt, ab dem ein Test sinnvoll ist, heißt "diagnostische Lücke". In meinen ersten Texten dazu hatte ich dafür aber "Diagnosefenster" geschrieben, was in Wahrheit das Gegenteil von der Lücke ist, nämlich die Zeitspanne, wo ein Test sinnvoll es. Es kann nämlich sein, dass er später nicht mehr sinnvoll ist. Ich hatte dieses Wort vorher im Zusammenhang mit HIV-PCR gelesen. Typischer Fall von halb verdauter Information. Tatsächlich gibt es bei diesem Test ein Diagnosefenster, nämlich in der Zeit hoher HIV-Konzentration, die durch die Gegenwehr des Immunsystems irgendwann absinkt. Als ich meinen Fehler erkannt habe, habe ich die bereits geposteten Texte natürlich korrigiert. Aber in einem Zitat (#1) steht das fatale Wort noch drin und ich kann es nicht durch "diagnostische Lücke" ersetzen…

    Die Aufklärung des Mechanismus, wie HIV durch Andocken an CD4 die "angehängte" Zelle unseres Immunsystems zerstört, wird vielleicht eines Tages zu einem neuartigen Medikament führen, das den Krankheitsausbruch (AIDS) verhindert. In 10 oder 20 Jahren eine tolle Sache. Aus meiner Sicht ist heute wichtiger, dass der Leser die Möglichkeit falsch positiver Testbefunde versteht, weil die dann ein massives seelisches Problem sind.

    FK Smiley hat mich dankenswerterweise auf die Story von der ermordeten Polizistin aufmerksam gemacht, bei der bundesweit zwischen 2007 bis 2009 nach einer Frau als Mordverdächtige gefahndet worden war (siehe Wikipedia Artikel "Heilbronner Phantom"). Stellte sich heraus, dass die am Tatort gefundene DNA-Spur ein Artefakt war, weil das Wattestäbchen, mit dem die Spur gesichert worden war, mit der DNA einer Mitarbeiterin des Betriebs kontaminiert war, der die Stäbchen der Polizei geliefert hatte. Das ist ein fatales Beispiel für Verunreinigungen. Kleine Ursache, große Wirkung.

    Der PCR-Apparat ist eine Kopiermaschine, die das vervielfältigt, was man ihr auf die Glasplatte legt. Und wenn Dreck drauf liegt, kommt eben Dreck hinten raus. Dreck gibt aber ein Signal, und das Signal deutet der Mensch als positive Antwort auf die Fragestellung. Es kommt also darauf an, dass man saubere Vorlagen liefert. Das ist Labortechnik, Probenvorbreitung, angefangen von der Probenahme, oft der alles entscheidende Schritt ist.

    Ebenso wichtig dafür, dass das Richtige kopiert wird, sind die Primer. Im Bild mit dem Kopieren sind das kurze Texte, Sätze oder Satzteile, die ich in den Kopierer eintippe und die ihm sagen sollen, welchen Absatz (Anzeichen für HIV) in einem dicken Buch (Probe) kopiert werden sollen. Diese Texte müssen erstens korrekt und zweitens sehr spezifisch für das sein, was ich suche. Wenn ich z.B. in einem unbekannten Buch schauen will, ob darin ein Absatz steht, der mit dem oben zitierte Satz von Wittgenstein beginnt, dann reicht es nicht "Wovon man nicht sprechen kann" einzutippen. Das ist zu allgemein, da kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine positive Antwort, die richtig sein kann, aber nicht richtig sein muss. Erst wenn ich den ganzen Satz "Wovon man nicht sprechen kann, davon muss man schweigen" als Primer eintippe, kommt die Antwort: nein, in dem Buch gibt es keinen Absatz, der mit dem Satz beginnt. Aufatmen!

    Das alles wollte ich Xx_err in einer PN mitteilen. Er wollte nicht. Okay. Damit soll es für mich genug sein zu diesem Thema. Wovon man nicht schweigen kann… Äh, wie war das noch?
     
    Xx_er dankt dafür.
  17. Xx_er

    Xx_er Guest

    vllt. ist das bei dir etwas "falsch" rübergekommen - ich masse mir keinerlei Ahnung an, zu wissen was die im Zusammenhang mit HIV/AIDS in diversen populär-"wissenschaftlichen" Beiträgen arg strapazierten CD4-Dingsbumse sind. Insoferne wollte ich auch nur auf eine diesbzgl. neue Meldung in Nature - das ja wohl quasi einen "Standard" im Wissenschaftsbetrieb darstellt - aufmerksam machen. Und das mit dem Hintergrund, dass, wenn man "Leute auf der Strasse" fragt, alle schon "wissen", dass HIV kausal für AIDS ist...

    Ich persönlich habe zB. da einige Probleme Korrelationen sofort als kausal anzunehmen. Liegt uU. an meinem naturwissenschaftlichen Studienfach.


    Ich finde dein Beitrag hat Substanz und ist durchaus für Interessierte lesenswert. Insbesondere hebt er sich gegen jene Ansammlung von Halbwissen, die als "Experten Wahrheiten" von diesem "Doc Alex" hier als "Wissens-Quelle" gepostet/verlinkt wurden, angenehm ab !

    scio me nihil scire...
     
  18. albundy69

    albundy69 Womanizer

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    Der Fairness halber sollte man erwähnen, dass der DocAlex (meines Wissens ex Chirurg und Partner einer bekannten Gangbang-Ikone) seinen Beitrag in einem Kontext geschrieben hat, in der er auf allgemeinverständliche Weise in einem Fickforum versucht hat, auf die Problematik der diagnostischen Lücke hinzuweisen. Solche Beiträge oder Bezug auf solche sind aus meiner Sicht wertvoll, da sie der Mehrheit der Leser gut zugänglich sind. Daher ist es unnötig vom hohen Ross zu schießen und solche, die sich darauf beziehen subtil in die Doofmann Schublade zu stecken.
     
    Xx_er und Smiley danken dafür.
  19. Xx_er

    Xx_er Guest

    was hat das mit Fairness zu tun... :confused:

    Umso schlimmer, wenn der Herr 'ne med. Fachausbildung hat und dann Dinge über Tests verbreitet, mit dem zwar wertvollen Hinweis bzgl. der diagnostischen Lücke, aber gleichzeitig (vorallem im Subtext) ein Expertentum suggeriert, das aber unfähig scheint, sich aus qualifizierten Quellen zu informieren bzw. diese auch zu nennen.

    Könnte es sich da um deine (Über-)Interpretation handeln? Ich wollte sicher damit nicht Crimson "ans Bein pinkeln". Meinen Unterhaltungs-Liebling, was die "originelle" Verwurstung und Interpretation von bisweilen zweifelhaften Quellen angeht, habe ich hier doch dankenswerterweise schon gefunden. Einer davon reicht... :D

    So spassig ist dieses Thema nicht, dass alles, was "dem Leser gut zugänglich ist" auch deshalb wertvoll ist. Die Bild-Zeitung ist ja auch vielen Lesern "gut zugänglich"... :rolleyes:

    Mir sind des @Naturfreunds Beiträge nicht weniger gut zugänglich und seine allg. Hinweise zu Tests finde ich zB. wertvoll...
     
  20. albundy69

    albundy69 Womanizer

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    Ein sehr gewagte These. :besserwisser: Ich frage mich, woraus du ableitest, dass der Herr keine Quellen benennen kann.:gruebel: Zumindest sehe ich nicht die Stelle, an der ihn jemand danach gefragt hätte. Wir hatten ein Missverständnis hinsichtlich der Testverfahren, die er vor Ort anwendet aber der Inhalt der Quelle stand hier gar nicht zur Debatte.

    Naja, wenn du bei jeder Quelle, die nicht deinen Ansprüchen genügt solch ein Gejodel anstimmst könnte es sein, dass du bald allein mit dem Verwurster chattest.

    Mir auch, vielleicht bin ich ja auch ein öXperte. :D